Sehr geehrte Mitglieder des Rates der Hansestadt Lüneburg,
sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin Kalisch,
sehr geehrter Stadtkämmerer Matthias Rink,
nachdem die interfraktionelle Arbeitsgruppe Erbbau der Hansestadt Lüneburg auf Einladung der Initiative für deren Veranstaltung „WIN-WIN für alle! Langfristig sozialverträgliche Konditionen und bezahlbares Wohnen im Erbbau“ am 13.11.2024 keinen Vertreter/ keine Vertreterin für das Podiumsgespräch benannte, räumte die Initiative der interfraktionellen Arbeitsgruppe kurzfristig die Möglichkeit ein, auf der Veranstaltung zum aktuellen Stand zu berichten.
Bis zu dieser Veranstaltung hatte sich die interfraktionelle Arbeitsgruppe mit der Initiative weder konstruktiv inhaltlich ausgetauscht noch Informationen über ihre Lösungsvorstellungen mitgeteilt, so dass der kurzfristige Auftritt inhaltlich vorab unbekannt war. Statt einer ersten, ergebnisoffenen Vorstellung der städtischen Lösungsansätze wurde der Öffentlichkeit und der Initiative an diesem Abend ein fertiges, mit den Betroffenen nicht einmal erörtertes „Lüneburger Modell“ lediglich zur Kenntnis gegeben, das nun im Eiltempo durch die Gremien gepeitscht und bereits am 28.11.2024 vom Rat der Hansestadt Lüneburg verabschiedet werden soll.
Die Initiative verurteilt dieses Vorgehen der Lüneburger Politik und Verwaltung auf das Schärfste. Seit ihrer Gründung im Mai 2024 hat die städtische, interfraktionelle Arbeitsgruppe zu keinem Zeitpunkt – bis auf eine zu kurzfristige Einladung für den 12.11.2024, einen Tag vor der Veranstaltung der Initiative – das Gespräch mit der Initiative gesucht, sondern jeglichen Austausch taktisch verweigert. Die Ignoranz und das konspirative Vorgehen der städtischen Arbeitsgruppe, die ihr Modell hinter verschlossenen Türen entwickelte und erst auf der Veranstaltung der Initiative die „Katze aus dem Sack“ ließ, empört uns in höchstem Maße!
Diese Hinterzimmerpolitik ist ein Schlag ins Gesicht für den Umgang mit Bürgerinnen und Bürgern der Stadt und den Aktivitäten der Initiative seit einem Jahr – all dies hat mit demokratischen Verständnissen von Dialog, Transparenz, Beteiligung, Wertschätzung und Aushandlungsprozessen rein gar nichts zu tun. Der interfraktionellen Arbeitsgruppe ist das Lösungsmodell der Initiative bereits seit sechs Monaten bekannt, ohne dass auf die Einladungen und Anregungen der Initiative für einen inhaltlichen Austausch eingegangen wurde – um nun im Alleingang und in kürzester Zeit über ein weder öffentlich diskutiertes noch gemeinsam ausgehandeltes Konzept „Lüneburger Modell“ im Rat der Stadt entscheiden zu lassen. Ein solches demokratiefeindliches Vorgehen befeuert wachsende Vertrauensverluste der Zivilgesellschaft in demokratische Prozesse und Institutionen!
Der konzeptionelle Vorschlag und das Vorgehen der interfraktionellen Arbeitsgruppe machen wiederholt deutlich, dass der zunehmende Mangel an bezahlbarem Wohnraum in Lüneburg sozialpolitisch nicht behandelt wird und nur im Zusammenhang mit der Ausweisung von Neubaugebieten eine Rolle spielt. Mieter und Mieterinnen von Wohnungen oder Grundstücken (Erbbau) sowie eine tragfähige sozial- ökologische Stadtentwicklung im Bestand besitzen offensichtlich keine Lobby bei politischen Vertreter:innen der Stadt!
Das angeblich gemeinwohlorientierte Modell der interfraktionellen Arbeitsgruppe reicht bei weitem nicht aus, um langfristig bezahlbaren Wohnraum im Erbbau zu sichern. Es ist eine Mogelpackung, bei der insbesondere einkommensschwache Gruppen – und dazu gehören nicht nur Familien und Senior:innen – einmal mehr durch das Raster fallen – zumal u.a. die Kernproblematik „Bodenrichtwert“ als entscheidende, heute überholte Einflussgröße für unberechenbar steigende Erbbauzinsen in dem städtischen Konzept nicht angefasst wird. Anstelle einer neuen, gerechten Grundsatzregelung zur Ermittlung der Erbbauzinsen wird ein bürokratisches Monster aufgebaut mit einem aufwändigen, viele sicher auch abschreckenden, individuellen Antragsverfahren und regelmäßig notwendigen Prüfungen der Bewilligungsvoraussetzungen (Alter, Einkommen, Familienstand etc.).
Der Vorschlag der interfraktionellen Arbeitsgruppe sieht ferner keine konsequente Senkung des Regelerbbauzinssatzes vor wie es bundesweit ähnlich betroffene Städte wie Lübeck (2,0%), Hamburg (1,3%), Münster (2,5%) oder Frankfurt (2,5%) tun. Gerade an einem Hotspot steigender Bodenrichtwerte wie Lüneburg wäre dies unbedingt notwendig. Eine im interfraktionellen Konzept vorgesehene Senkung des Regelerbbauzinssatzes um 0,5% ist billige Kosmetik und kann nur mit Realitätsverlust und Zynismus erklärt werden. Als Gemeinwohl wird hier offensichtlich die Einnahmenmaximierung für die Stadtkasse verstanden.
Sowohl Politik als auch Verwaltung in Lüneburg bedienen das Narrativ, als würden ihnen bei einer konsequenten, langfristig wirkenden, sozialverträglichen Reform der Erbbauzinsen Einnahmen entgehen. Dies ist unwahr! Die Einnahmen der Erbbaugeber werden sich in jedem Fall erhöhen, im Lösungsmodell der Initiative z.B. angemessen um das 4-6-fache der Altverträge. Entscheidend ist, ob die Politik ihre Grundsatzentscheidungen zum Erbbau an sozialen oder an gewinnmaximierenden Kriterien ausrichtet. Entscheidend ist, was unter dem Strich herauskommt: Angemessen ist eine Erhöhung dann, wenn der Betrag am Ende der Berechnung sich langfristig und planbar in einem sozialverträglichen Rahmen bewegt. Für den Erbbau mit seinen heutigen Rahmenbedingungen wäre eine Spanne zwischen 200 und 350 Euro an monatlichen Erbbauzinsen verhandelbar und angemessen, alles darüber hinaus missachtet die verfassungsrechtliche Pflicht öffentlich-rechtlicher Einrichtungen, den Grundsatz angemessener Vertragsgestaltung zu wahren.
Die Initiative hat im Laufe des Jahres mehrfach Gespräche mit allen Ratsfraktionen der Hansestadt Lüneburg geführt und ist dabei offen, transparent und dialogbereit auf die Politik und die Verwaltung zugegangen. Mit ihren Informationen, Gesprächen, Aktionen und Veranstaltungen hat sie damit Aufgaben von Politik und Verwaltung übernommen, einen öffentlichen Diskurs zu einem wohnungspolitisch wichtigen und drängenden Thema zu eröffnen. Statt zu kooperieren haben Politik und Verwaltung einen Diskurs taktisch zu umgehen versucht und mit ihrem Vorgehen sowohl Betroffene als auch die Öffentlichkeit hinter das Licht geführt. Warum das Thema bezahlbarer Wohnraum in Lüneburg lediglich über die Stadtkämmerei und den Finanzausschuss behandelt wird, ist dabei höchst fragwürdig, zumal es sich inhaltlich vorrangig um ein Thema für den Stadtentwicklungsausschuss handelt.
Einmal mehr nutzen die politischen Vertreter:innen und die Verwaltung der Hansestadt Lüneburg ihr Mandat und ihre Macht, um wichtige, langfristige Entscheidungen zu fällen, die an zentralen Problemlagen und Bedürfnissen vieler Bürgerinnen und Bürger vorbeigehen. Doch dies ist nicht das Ende der Auseinandersetzungen, sondern erst der Anfang. Politiker:innen und Verwaltung sollten sich sehr genau überlegen, ob ihr Konzept und ihr Vorgehen den kommenden Auseinandersetzungen um Sachgerechtigkeit, Angemessenheit, Beteiligung und Gemeinwohlorientierung Stand halten werden.
Lüneburg, 17.11.2024
Matthias Fricke &
Annegret Kühne
Initiative Bezahlbarer Wohnraum im Erbbau Lüneburg
in Kooperation mit
Peter Wegner
Verband Wohneigentum Niedersachsen e.V.